Apple vs Samsung: Zusammenfassung der Berufungsverhandlung vor dem OLG Düsseldorf

Das wichtigste zuerst: Entschuldigung. Ich hatte euch einen live-Blog versprochen, konnte dies aber nicht einhalten. Tut mir Leid, beim nächsten Mal wird dies besser. Leider wurden beim Einlass ins Gerichtsgebäude alle Foto-fähigen Smartphones eingesammelt und nur unter größtem Protest konnte ich meinen Laptop behalten. Ohne Smartphone kein Tether und in dem Hinterwäldler-OLG Düsseldorf gibt es noch nicht einmal W-LAN zu buchen… traurig, hier ist das LG weiter, daher sage ich hier schon mal vorsichtig, dass die Verhandlung am Donnerstag zum einen spannender wird und zum anderen dann auch live hier zu verfolgen sein wird.

Jetzt zum Eigentlichen, der Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf. Das OLG Düsseldorf kam mir deutlich kleiner von den Räumlichkeiten vor und so wirkte es noch ein wenig … beeindruckender, als die Samsung-Fraktion vor Sitzungsbeginn drei oder 4 Umzugkartons, vermeintlich voll mit Aktenordnern, zum Sitzungssaal schleppte. Sah nicht nur lustig aus, sondern hatte eine wichtige Information als Hintergrund: Samsung hat zahlreiche Fälle von „prior-art“ in das Verfahren neu eingebracht – mehr wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, klang aber gut.

Dann begann die Sitzung und bevor ich jetzt weiterschreibe: es war für mich das erste mal, dass ich OLG-Luft geschnuppert habe, bisher war ich „nur“ vor einigen Landgerichten, vielleicht ist das der Grund, warum mir die gesamte Sitzung äußerst technisch und detailverliebt vorkam und teilweise total zerfahren wirkte. Jedenfalls fand‘ ich es unglaublich schwierig die einzelnen Vorträge der Parteien herauszuarbeiten oder gar eine Tendenz des Richters zu erkennen. Ich versuche es trotzdem mal.

Der erste Streitpunkt: eine Verfügung gegen den südkoreanischen Mutterkonzern…

Ein wichtiger Punkt, er birgt für Samsung die Gefahr, keinerlei Galaxy Tabs (8.9 und 10.1) nach Europa exportieren zu dürfen. Apple begründete den Bedarf daran, dass es für MediaMarkt und Co. schließlich ein Leichtes sei, trotz Verbot für den Vertrieb gegen die Samsung GmbH, an Geräte aus dem europäischen Ausland zu kommen, etwa den Niederlanden. Eine solche europaweite Verfügung wäre etwas neues, normalerweise liegt der Anlaufpunkt für derlei Klagen gesetzlich geregelt in Alicante. Trotzdem war der (sehr erfahren wirkende) Richter Berneke sehr interessiert an der Frage. Apple liegte die Ansicht vor, dass Samsung DE einn Werkzeug von Samsung Korea sei, die Webseite sei schließlich einzeln gestaltet und die Produkte würden über Korea bestimmt, Samsung konterte, dass man auf eigene Rechnung arbeite, die Webseite selber bestimme und auch selber auswählen würde, welche Produkte nach Deutschland kommen. Der Richter hakte immer wieder nach und bezeichnete die Ansicht von Apple immer als „…ich nenne es mal einen sehr mutigen Ansatz“ (so Richter Berneke) – in meinen Augen ein klarer Fall, aber irgendwie kommt das Gefühl auf, dass wir zu dieser bis dato in der deutschen Rechtsprechung ungelösten Frage etwas ausführlicheres im Urteil zu lesen bekommen. Den Part werte ich jedenfalls klar für Samsung.

Der zweite Streitpunkt: wurde die Frist für den Antrag auf eine einstweilige Verfügung durch Apple gewahrt?

Sehr interessanter Punkt, welcher vor dem LG noch ausführlichst thematisiert wurde, gestern dann doch eher kurz behandelt wurde. Richter Berneke tat am Anfang die Sicht des Gerichts kund, wonach die Frist gewahrt worden sei, insbesondere wäre es Apple nicht zuzumuten gewesen, bereits zu dem von Samsung vorgetragenen Zeitpunkt, wo erstmals die Produktbilder auf der deutschen Internetseite aufgetaucht waren, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen und damit in Gefahr zu laufen, ein falsches Objekt zur Grundlage zu machen. Zu dem Punkt wurde auch von beiden Parteien nicht wirklich viel nachgearbeitet. Die Frist dürfte als gewahrt angesehen werden.

Der dritte Streitpunkt: Gibt es einen Verfügungsgrund

Für eine Verfügung im einstweiligen Rechtsschutz muss es einen Verfügungsgrund geben, will in unserem Fall heißen, dass es zum einen ein gültiges europäisches Geschmacksmuster geben müsste, welches dann auch verletzt worden sein müsste. In diesem Satz birgt sich genug Streit um euch hier noch bis morgen etwas zu schreiben, ich versuche es ein wenig abzukürzen.

3.1 – gibt es überhaupt ein gültiges europäisches Geschmacksmuster für Apple?

Die Frage ist nicht nur wegen dem Verfahren am Donnerstag um das Galaxy Tab 10.1N interessant, sondern könnte den europäischen Tabletmarkt auch auf Jahre prägen. Ein Löschungsantrag in Alicante ist gestellt, sollte also das OLG Düsseldorf das Geschmacksmuster für gültig befinden, ist noch nicht aller Tage Abend, allerdings trotzdem extrem schlecht. Jedenfalls hat Richter Berneke erstmal seine Meinung kundgetan, was man genau auf dem Geschmacksmuster Nr. 000181607-0001 sieht: eine zweigeteilte Form, einmal die „Schale“ unten und darin eingelassen die Frontscheibe. Eine abgerundete Rückseite, dazu ebenfalls abgerundete Ecken. Eine Schwierigkeit des Geschmacksmusters sind Schraffuren auf der Rückseite, schwer aufzufassen, nach Meinung des OLG könnte dies auf eine reflektierende Rückseite hindeuten, kein Widerspruch gegen ein gültiges Geschmacksmuster jedenfalls. Die gepunktete Linie auf der Vorderseite des Musters lässt nach Ansicht des Gerichts zwei Interpretationsmöglichkeiten zu: einmal, dass hier etwas angedeutet ist, was vorhanden aber nicht sichtbar ist, oder etwas, das vorhanden sein kann, auf welches aber keine Anspruch erhoben wird. Jedenfalls schwierig, nach Ansicht des Gerichts aber wohl eher ersteres.

Dann wurde es richtig interessant – erinnert ihr euch noch an die Kartons mit neu eingebrachten Formen? Jedenfalls würdigte das Gericht an dieser Stelle die Formen – und fand eine Form besonders interessant und möglicherweise als „prior-art“ anzusehen: das deutsche Geschmacksmuster 40301867-0001 eingetragen am 30.06.2003
 Naaa, merkt ihr was? Hier noch mal zur Erinnerung Apples Geschmacksmuster, eingetragen am 24.05.2004:

Richtig, Ähnlichkeit ein ganz klares Plus, so auch Richter Berneke. Man muss dazu wissen, dass das obere Patent auf einen Flachbildschirm (ohne integrierten PC) gilt und in den USA zwei Wochen vor Eintragung des europäischen Geschmacksmusters offen gelegt wurde. Nach Ansicht Apples reicht diese Zeit niemals aus, um die Form bei Eintragung des europäischen Geschmacksmusters zu kennen, daher kein Fall von prior-art. Samsung trägt natürlich das Gegenteil vor. Dann zeigte Richter Berneke seine Meinung deutlich: diese Zeit hatte in anderen, vergleichbaren Fällen dicke ausgereicht. Apple trug zudem vor, dass dies ja nur ein Geschmacksmuster auf ein Display sei und nicht auf einen Tablet-Computer. Man könne schließlich nicht alle Formen, ob Fernseher oder ähnliches mit in den Registrierungsprozess inkludieren. Hier auch wieder Richter Berneke: jedenfalls ist es mindestens eine produktnahe Gruppe und demnach einzubeziehen.

So viel zu dem Bestehen eines Geschmacksmusters… macht euch selber ein Bild. Meine Meinung: Mehr als 50% Wahrscheinlichkeit gegen ein gültiges Geschmacksmuster.

3.2 – verletzt das Galaxy Tab 10.1 das Geschmacksmuster?

Die nächste drängende Frage: wenn es ein gültiges Geschmacksmuster gibt, wäre dieses dann durch das Galaxy Tab 10.1 verletzt? Hier bekam Richter Berneke erstmal ein Galaxy Tab 10.1 und ein iPad2 auf den Tisch gelegt (könnte man bei mir auch mal machen…) und verwechselte beide promt. Führte aber zur Erklärung aus, dass er zwar entsprechende Produkte besäße, sich diese aber kaufen lassen würde. Dann die einzelnen Punkte des Geschmacksmusters im Detail: das Gericht ist der Meinung, dass keine Zweischaligkeit vorliegt. Dünn ist das Geschmacksmuster, dies ist klar. Der verdeckte Rahmen ist zudem schon seit dem neu eingebrachten Design vorher in Deutschland bekannt gewesen… ebenfalls ist der Rahmen des Galaxy Tab im Detail nicht übereinstimmend mit dem des iPad, schließlich sei dieser zweigeteilt und der des Galaxy Tabs viel höher gezogen. Die Rückseiten sind nach Ansicht des Richters zudem nicht komplett übereinstimmend. Beide Parteien argumentierten danach für die für sie positive Ansicht, wenn ich es richtig interpretiert habe bleibt der Richter bei seiner Meinung. Das Galaxy Tab gleicht dem iPad nicht im Detail – nach meiner Ansicht ist das Geschmacksmuster danach vom Tisch. Die Karten stehen hier gut für Samsung … meine Meinung, klar – ich kann mich irren.

Streitpunkt 4: die Beschwerde Apples, dass keine einstweilige Verfügung gegen das Galaxy Tab 8.9 erlassen wurde

Klares Ding, nach Ansicht des LG nicht nötig, da das Design das gleiche ist, das OLG schließt sich der Meinung an.

Also, bis hierhin in meinen Augen ein Teilsieg für Samsung – allerdings habe ich bereits früher immer gesagt, dass das Geschmacksmuster nicht alles ist. Die ersatzweise eingebrachten möglichen Ansprüche aus einem UWG-Verstoß dürften ebenfalls Probleme machen.

Also Streitpunkt 5: Verstößt das Galaxy Tab 10.1 gegen Lauterkeitsrecht?

Die Frage wurde vor dem LG Düsseldorf nicht geklärt – es war nicht nötig, ein Anspruch aus dem Geschmacksmuster wurde ja bereits abgesegnet. Vor dem OLG Düsseldorf aber nötig, schon alleine für den Fall, dass das Geschmacksmuster tatsächlich vom Tisch ist und zu Gunsten von Samsung entschieden werden könnte. Knifflige Sache.

Leider wurde hier ein Großteil bereits durch schriftliche Anträge im Vorfeld eingereicht, interessant war es trotzdem. Apple stellt den Hilfsantrag, dass Samsung mit dem Galaxy Tab 10.1 gegen Lauterkeitsrecht verstößt, da “ 1. Eine rechteckige Form mit vier gleichmäßig abgerundeten Ecken vorliegt. 2. Eine flache, klare Oberfläche welche die Vorderseite des Geräts abdeckt ohne jede Musterung zu sehen ist. 3. Unter der Oberfläche befindet sich eine rechteckige zentrierte Begrenzung. 4. Eine dünne Einfassung, welche die Vorderseite umgibt vorliegt. 5. Eine Rückseite, welche an den Ecken und an den Kanten abgerundet ist existiert und 6. das Galaxy Tab ein dünnes Profil hat, wie in zahlreichen Abbildungen mit dem iPad verglichen wurde.

Insgesamt also nichts neues, die Punkte kennen wir alle schon. Eine Aussage des Richters möchte ich hervorheben: „bestimmte Dinge müssen frei bleiben – dem Streben nach Flachheit muss Rechnung getragen werden und ob man die Vorderseiten monopolisieren kann ist mehr als fraglich“.

Apple seinerseits trug vor, dass es viele Mitbewerber gibt und bei dem/den Galaxy Tab(s) die Verwechslungsgefahr besonders groß sei, da das Logo auf der Vorderseite schwer erkennbar ist. Samsung wolle ein Stück vom Kuchen abhaben, es ginge Apple ja gar nicht darum, dass niemand einen Tablet-Computer haben dürfe.

Viel hin und her an dieser Stelle, eine Tendenz war nicht abzusehen. Richter Berneke wollte jedenfalls das wirtschaftliche Umfeld kennen um eine Entscheidung (Gitarren Entscheidung? Habe ich leider nichts drüber gefunden) eventuell anzuwenden.  Samsung reichte hierzu eine Liste mit allen erhältlichen Tablet-Computern auf dem europäischen Markt ein – und legt 17 (!) Geräte auf den Schreibtisch des Richters, darunter HTC, Toshiba, Intenso, Motorola (?) uvm. … da hätte sich so mancher Technikfan ein wenig nass gemacht.

Dann wurde es weiter spannend, Samsung versuchte Richter Berneke klar zu machen, dass der sichtbare Teil eines Tablets für den nicht-Nutzer und lediglich Zuschauer in aller Regel lediglich die Rückseite ist. Apple kontert mit dem Wortlaut einer Entscheidung des EuG (Shenzen) „Der Gesamteindruck muss bestimmt werden in der Art und Weise, wie es genutzt wird“.

Viel mehr war es dann auch nicht beim UWG, wie gesagt – ich hatte den Eindruck, dass viel hier bereits über schriftliche Anträge gelaufen war. Eine Tendenz kann ich hier nicht geben, klassischer Coin-Flip für mich.

Wie ich die Verhandlung sehe – und was es für Donnerstag heißen könnte:

Ein bisschen orakeln kann ich mir hier nicht verkneifen, ich meine, dass das Geschmacksmuster für Richter Berneke halbwegs vom Tisch ist. Kann mich auch irren, aber für mich sieht es so aus, als ob es möglicherweise schon nicht gültig ist wegen prior-art, wahrscheinlich aber zudem nicht verletzt ist. Ein großer Schritt für Samsung. UWG ist eine ganz andere Nummer, auch knifflig, hier kann ich keine Tendenz abgeben, allerdings frage ich mich (als wenig praxiserfahrener Jura-Student), welche Fallgruppe denn hier wirklich einschlägig sein könnte:  Irreführung ( §5 III 1 Hs UWG)? Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr (§6 III Nr 3 UWG)? Wohl kaum, täuschend ähnlich ist hier nichts. Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung (§6 II Nr.4 UWG)? Vielleicht, Rufausnutzung ist der entscheidende Punkt, auf welchen sich Apple beruft. Allerdings gibt es genügend andere Tablets und Samsung will sich ja ganz klar vom iPad unterscheiden! Es wird auf jeden Fall interessant, der Verkündungstermin wurde erst auf den 16.01.2012 gelegt, da jedoch einige erst eine Woche vorher aus dem Urlaub kommen hat man sich dann doch für den 31.01.2012 9:00 Uhr in Saal A224 entschieden.

Was das Ganze für Donnerstag heißen könnte? Schwierig, ich deute es mal als gutes Zeichen. Das Landgericht wird sicherlich beim OLG mal nachhören, wie hier gedacht wird um keine Entscheidung zu fällen, die ohnehin nächstinstanzlich zerrissen wird. Das OLG wird hier kein Urteil vorgeben (darf es im übrigen auch nicht), aber könnte eine Tendenz zeigen – und die spricht hier in meinen Augen klar dafür, dass  die Abweichungen beim Galaxy Tab 10.1 schon groß sind, beim Galaxy Tab 10.1N folglich noch größer. Also eine klare Tendenz gegen den Verstoß beim Geschmacksmuster, allerdings bleibt dann noch das UWG …

Ich kann euch nicht sagen, wie es ausgehen wird (ansonsten wäre ich schon fleißig am Aktien kaufen), wir werden aber am Donnerstag vor Ort sein. Beim Landgericht gibt es auch W-Lan (Tagesticket 10€ -.-) und das werde ich nutzen, um euch diesmal alles live und hoffentlich auch lesenswerter zu berichten. Natürlich in der Hoffnung, dass keine polizeirichterliche Verfügung nach 176 GVG mit dies verbietet. Auf jeden Fall am Donnerstag (morgen schon) wieder mitlesen und vorher noch schnell Fan bei Facebook werden! 

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