Apple vs Samsung: Das Warten auf die Jury beginnt und eine Einschätzung

Wenn sich Apple und Samsung vor Gericht streiten, dann ist dies sicher kein normaler Prozess. Wir berichten nun schon seit einigen Wochen (eigentlich seit einigen Monaten) über die beiden größten Smartphone-Hersteller derzeit und deren Disput vor verschiedenen Gerichten, der Prozess in den USA ist der vorläufige Höhepunkt dieser Serie. Gestern fanden die abschließenden Argumente vor der Jury statt – klar, dass zu diesem „Super Bowl der IP Anwälte“ ein entsprechendes Interesse bestand.

Die Wartereihe vor dem Gerichtssaal in San Jose ging wohl über den gesamten Häuserblock, keiner wollte sich entgehen lassen, wie beide Seiten ihre abschließenden Argumente vorbrachten bevor die Jury sich zur Beratung zurückziehen würde. Wirklich neue Argumente waren auch nicht erwartet worden, allerdings wurde noch einmal in die Trickkiste der Polemik gegriffen – von beiden Seiten. Vorher gab es aber erst etwas zu lesen für die Jury: 109 Seiten Instruktionen, was zu bewerten sei und was nicht und wie sich generell zu verhalten sei.

Jury Instruction 35: „Damages you award are meant to compensate the patent holder and not to punish an infringer.“

Nach den Instruktionen ging der interessante Teil los: Apple trug vor, warum man von Samsung über 2.5 Milliarden Dollar Schadensersatz verlangt. Apple verpackte alles mehr oder weniger in eine Geschichte – das „Story Telling“ war auch durchaus interessant:

“If you want to find out what really happened, if you want to see the truth, you need to make a chronology”

Reduziert auf die Kernaussage: vor dem iPhone nutzte man verschiedene Designs, danach ähnelten Samsungs Smartphones plötzlich alle Apples iPhone. Apple zitierte Samsungs „Designkriese“ aus Samsung-internen Emails. Außerdem behauptete man, dass Samsung anstatt Zeugen und Gutachtern aus der eigenen Konzernführung nur Anwälte vor die Jury gebracht habe. Was Koreaner mit schwer zu verstehendem Englisch vor einer amerikanischen Jury bewirkt hätten lasse ich einmal dahingestellt.

Samsung spent a billion dollars mimicking our designs and holding it out to the world so the Apple design is no longer seen as unique.

Laut Apple besteht kein Zweifel, dass Samsung Feature um Feature das iPhone kopiert hat und es grundsätzlich gleiche Geräte sind. Jedes einzelne Patent („Pinch to zoom“ und Co.) habe man kopiert und übernommen.

„Apple took 5 years to bring this revolution to us. Samsung took 3 months to copy it. THAT’S TRUTH, AND THAT’S SIMPLE, CLEAR, AND UNDISPUTED. „

Samsung hat in nur drei Monaten das kopiert, was Apple in 5 Jahren mühsam entwickelt und aufgebaut hat. Dieses Argument war wohl mit Abstand das interessanteste, was Apple gestern vertrug. Außerdem noch das Argument, dass man sehr wohl Smartphones bauen könne, die anders als das iPhone aussehen – als Beispiel zeigte man Nokias Lumia 800 und ein Sony Ericsson Arc S. Beides schicke Smartphones, allerdings in meinen Augen kein Fall von „Form follows function“ sondern ein „erzwungenes anderes Aussehen“. Danach war jedenfalls Samsung an der Reihe:

“It’s here asking you to prevent its largest competitor from giving consumers want they want. … Rather than competing in the marketplace, they are trying to win in the courtroom. … It’s attempting to block its most serious competitor from even playing the game.” – Verhoeven

Samsungs Argumentation war mindestens ebenso kraftvoll wie die von Apple: Apple versuche nur den größten Rivalen im Gerichtssaal zu besiegen, da man es auf dem Markt nicht schaffen würde. Die Entscheidung der Jury – so Verhoeven, einer von Samsungs Anwälten – würde für Amerikas Zukunft entscheiden. Entweder man lässt Innovationen und Wettbewerb zu – die Eigenschaften die Amerika groß gemacht haben, oder aber man entscheidet sich für Apple.

„Let’s let the innovators compete.“

Die Designs habe es entweder zuvor gegeben, oder aber sie sind zu generell, als das Apple für diese einen Schutz beanspruchen könnte. Rechteckige Formen sind nicht schützbar:

Apple believes „it’s entitled to having a monopoly on a rounded rectangle with a large screen. It’s amazing really,“ says Verhoeven. – @Swiftstories

Ein weiteres Hauptargument von Samsung: Apple konnte keinen einzigen Beweis dafür bringen, dass der Verbraucher bei der Wahl seines Smartphones oder Tablets durch Samsung verwirrt worden sei und nur deshalb nicht zu Apple gegriffen hat.

Samsung attys basic argument is that no „ordinary observer“ is confused between the Apple and Samsung smartphones and tablets. – @hmintz

Fazit: Wow. Der Super Bowl der IP (Intellectual Property) Lawyer hat es an Unterhaltungswert definitiv nicht vermissen lassen. Die zähe Einführung mit Benimmregeln für die Jury war nur wegen einiger interessanter Klauseln auszuhalten, danach ging es aber Schlag auf Schlag durch die verschiedenen Vorwürfe und beide Seiten geizten nicht mit polemischen Äußerungen um die Jury zu überzeugen. Samsung verwendete erstaunlich viel Zeit darauf, die Verletzung der eigenen FRAND-Patente zu verdeutlichen, Apple stellte Samsung wieder einmal als reinen Kopierer dar.

Ich persönlich finde das Argument, dass man einen Wettbewerb zulassen muss zwar überzeugend, am Ende steht aber ein asiatisches Unternehmen gegen ein amerikanisches Unternehmen und die Jury muss entscheiden, bevor Richterin Koh ein Urteil fällt. Samsungs Argumentation mit den FRAND-Patenten hätte man sich in meinen Augen komplett sparen können – die „Peanuts“ um die es da geht (Samsung fordert bis zu 399 Mio Dollar, realistisch dürfte maximal ein Zehntel sein) haben über den gesamten Prozess viel Zeit gekostet und dürften sich in dem Urteil nur schwach niederschlagen. Apple hat viele Beweise für Verstöße von Samsung gebracht, Samsung seinerseits hat darauf gepocht, dass viele Patente so nicht zulässig gewesen sind wegen Fällen von „prior art“. Dass die Jury sich wirklich gegen die Patente und damit gegen das amerikanische Patent-System entscheidet in einem Rechtsstreit mit einem asiatischen Unternehmen halte ich für relativ unwahrscheinlich.

Wie es ausgeht kann man nur schwer abschätzen – Jury-Entscheidungen sind immer teilweise eine Art juristisches „Russisch Roulette“. Denkbar sind (grundsätzlich) drei Konstellationen:

  1. Apple gewinnt alles. 2.5+ Milliarden für Apple, Samsung muss viele Designs ändern, der Ruf von Samsung ist mehr als nur angekratzt.
  2. Samsung gewinnt. Keine 2.5 Milliarden für Apple, die FRAND-Patente und deren Lizenzen sind eine andere Nummer, vielleicht bekommt Samsung hier noch „ein paar Millionen“. Apple hätte auf ganzer Linie versagt, Wettbewerber könnten ihre bisherigen Designs (also auch LG, HTC und Co.) weiter verwenden.
  3. Beide gewinnen und verlieren. Apple bekommt Schadensersatz zugesprochen, allerdings nur für einige, wenige Patente; Samsung bekommt zwar FRAND-Lizenzen zugesprochen, muss aber den Schadensersatz an Apple zahlen.

Meiner Meinung nach läuft alles auf die 3. Variante hinaus, allerdings ist schwer abzuschätzen, in welchem Maße man hier Patente für valid und invalid erachtet. Da beide Unternehmen mit extrem hohen und wohl auch überzogenen Summen gearbeitet haben, würde ich auf einen mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbetrag für Apple tippen (vielleicht auch knapp über einer Milliarde USD) und einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag für Samsung. Apple würde alles wie einen Sieg darstellen, Samsung das Ergebnis als einen Teilsieg, außerdem würde man verschiedenen Designs von Smartphones die zum Teil noch verkauft werden abändern.

Es ist nur eine grobe Vermutung und zig Variablen sind unklar, beispielsweise wie sehr der „amerikanisches Unternehmen vs. asiatisches Unternehmen“-Faktor eine Rolle spielt. Über die Entfernung kann man nur mit Berichterstattungen anderer arbeiten, insofern möge man mir verzeihen, wenn ich weit daneben liege, aber bevor ich hier in den Kommentaren nach meiner Meinung gefragt werde, lieber über diesen Weg ein paar Worte dazu verlieren. Fast sicher dürfte sein, dass die Entscheidung danach im Wege der Berufung egal durch welche Seite angegriffen wird. In wenigen Tagen wissen wir hoffentlich mehr, die Jury geht um 9 Uhr Ortszeit das erste Mal in die Entscheidungsfindung über.

Quellen: 1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6

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7 thoughts on “Apple vs Samsung: Das Warten auf die Jury beginnt und eine Einschätzung

  1. "…als Beispiel zeigte man Nokias Lumia 800 und ein Sony Ericsson Arc S…"

    Diese beiden meinst Du?
    Das Nokia ist der Grundform des iPod Nano erheblich nahe – somit eigentlich recht natürlich, nach Deiner Definition.
    Das SE hat ein völlig eigenständiges Design, aber man kann nicht davon sprechen, dass es nicht natürlich wäre. Ich persönlich finde den Look ausgesprochen genial.

    Aber, eigentlich fand ich Deinen Artikel schon relativ neutral, bis fast Samsung-kritisch geschrieben. Ungewöhnlich für eine Pro-Samsung-Site.

    • Also die Grundform für Smartphones ist – wenn es nach Samsung geht – rechteckig,mit abgerundeten Ecken und einem Display auf der Front. Das trifft es in etwa, ein geschwungenes Arc S sieht zwar schick aus und liegt gut in der Hand, aber die Grundform wird teilweise eben nicht getroffen..

      Samsung-kritisch? Wenn Kritik angebracht ist versuche ich es zumindest, alles andere wäre Selbstbetrug.

  2. "…als Beispiel zeigte man Nokias Lumia 800 und ein Sony Ericsson Arc S. Beides schicke Smartphones, allerdings in meinen Augen kein Fall von „Form follows function“ sondern ein „erzwungenes anderes Aussehen“…"

    Was ist denn das wieder für ein parteiischer Satz?

    Wenn wir das jetzt mal auf Autos anwenden, und hier beispielsweise Mercedes nehmen, dann ist jedes Modell, das anders aussieht als ein Mercedes (Kühlergrill, Leuchten, A-B-C-Säule,…), erzwungen anders gestaltet?!?! Was für ein Quatsch.

    • Seit ungefähr einem Jahr schreibe ich meine Meinung hier und die ist nun mal, dass Apple vor allem daher so erfolgreich ist, da man viele Formen auf die Grundform reduziert hat. Diese nutzen nun Samsung und Co auch und insofern ist das Design von Nokia und SE in dem Fall “erzwungen“ weil nicht natürlich.

  3. sollte das Erfolg haben würde ich, wenn ich Apple CEO wäre, würde ich mir sofort ein Smartphone mit vier Rädern patentieren, das via Touchscreen und Stimmeingabe steuerbar ist und nächstes Jahr VW, Audi und Mercedes verklagen

  4. Grundsätzlich gilt erstmal zu bedenken, dass auch Samsung in den USA sehr viele Arbeitsplätze bietet, das Amis gegen Asiaten antreten ist daher hoffentlich nicht wirklich relevant.

    Aber ist ist sowieso ganz egal was passiert, ich freu mich schon auf deine Berichte der Prozesse wenn derjenige, der schlechter aus dem Prozess rauskommt in Revision geht (wenn nicht sogar beide)….

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