Verhandlung der Klage der Verbraucherzentrale NRW gegen Samsung wegen Smart TV-Datenschutz am 19. Mai 2016

Morgen ist es so weit, eine interessante Klage findet ihren Weg vor das Landgericht Frankfurt: Die Verbraucherzentrale NRW hatte die Samsung Electronics Deutschland GmbH verklagt, da die Samsung Smart TVs nach Ansicht der Verbraucherzentrale verschiedene Datenschutzmängel aufweisen.

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Laut Verbraucherzentrale NRW handelt es sich bei der Klage um eine Musterklage, „Samsung wird als Marktführer stellvertretend für alle Hersteller von Smart TVs verklagt“ – so Samsung.

Vertreten wird die Verbraucherzentrale NRW vor dem LG Frankfurt durch die Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke (Disclosure: meinem alten Arbeitgeber). Laut Christian Solmecke geht es um verschiedene Punkte:

  • Personenbezogenen Daten sollen erst nach Einwilligung der Nutzer übertragen werden.
  • Die Nutzer sollen genau erfahren, welche Daten zu welchem Zweck übertragen. Dies gebietet das im Datenschutzgesetz verankerte Transparenzgebot.
  • Die Nutzer das Smart TV als reines TV ohne Datenerhebung nutzen können. Funktionen, wie beispielsweise die Auswahl der Sprache, sollten ohne die Übertragung der IP Adresse möglich sein.
  • Die AGB übersichtlich gestaltet sind. Aktuell müssen sich die Nutzer 399 Seiten zu den Bedingungen ihres Samsung Kontos durchlesen.
  • Die AGB frei von versteckten Klauseln sind. Viele Klauseln enthalten schwammige Formulierungen, die den Nutzer in die Irre führen.

Die Probleme liegen hier an drei verschiedenen Punkten beim Betrieb eines (Samsung) Smart TV: Richtet man das Gerät ein, wird bei der Einrichtung unter anderem die Möglichkeit gegeben, den SmartTV mit dem Internet, beispielsweise über eine WiFi-Verbindung, zu verbinden. Klickt man sich dann weiter durch die Einrichtung, werden dann die derzeit gültigen AGB angezeigt. Hier sieht die Verbraucherzentrale bereits einen ersten Verstoß, da hierfür Daten auf den Fernseher geladen werden und dabei die IP übermittelt wird. Laut einer Pressemitteilung Samsungs geschieht dies, um die aktuellste Fassung der AGB herunterzuladen.

Die Verbraucherzentrale NRW schreibt: „Wer seinen Samsung-Fernseher mit dem Internet verbunden hat, sendet schon nach dem ersten Einschalten sensible Informationen an Server des Elektronik-Riesen.“

Samsung Electronics Co. Ltd. lädt im Rahmen der Erstinstallation die jeweils erforderlichen Sprachfassungen der AGB und Datenschutzrichtlinie auf das Gerät herunter. Hierfür ist eine Verbindung zu einem Samsung-Server und damit eine Übermittlung der IP-Adresse zwingend erforderlich. Um „sensible“ Informationen handelt es sich nicht.

Weitere Datenerhebungen z.B. im Rahmen der Nutzung von internetgestützten Diensten erfordern eine vorherige Einwilligung des Nutzers. Nur wenn der Nutzer vorab aktiv eingewilligt hat, können die Dienste überhaupt genutzt werden. Diese Einwilligung kann selbstverständlich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden.

Samsungs Argumentation bezüglich der „nicht sensiblen Daten“ stehe ich kritisch gegenüber, seit dem Volkszählungsurteil ist höchstrichterlich die Relevanz auch des einfachsten Datums gesichert, die IP kann (etwa im Rahmen von absolut undurchsichtigen und seitens der Justiz teils fahrlässig durchgewunkener IP-Inhaber.Ermittlungen für Urheberrechtsverletzungen) genutzt werden, um Rückschlüsse etwa auf den Ort zuzulassen, insofern dürfte die Argumentation zumindest umstritten sein. In meinen Augen ist die Kritik nachvollziehbar.

  • Die Nutzer das Smart TV als reines TV ohne Datenerhebung nutzen können. Funktionen, wie beispielsweise die Auswahl der Sprache, sollten ohne die Übertragung der IP Adresse möglich sein.

Bei diesem – in meinen Augen unglücklich formulierten – Punkt wird es hingegen schwierig. Samsung schreibt hierzu:

Wer keinerlei Interesse an Internetdiensten hat, kann selbstverständlich auch mit jedem Samsung Smart TV lediglich lineares Fernsehen und zugespieltes Videomaterial nutzen, ohne dass das TV-Gerät mit einem Netzwerk verbunden werden muss.

Die Klage der Verbraucherzentrale NRW bezieht sich konkret auf das 2014er Modell Samsung UE40H6270. Ich habe selber nur einen 2013er F7090 im Betrieb, hier besteht der erste Punkt der Ersteinrichtung des SmartTV aus der Wahl der Sprache. Bei einem 2015er JS9090-Testgerät gab es deutlich mehr Unterpunkte bezüglich der verschiedenen Zustimmungen zur Datennutzung.

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Zu diesem Zeitpunkt ist eine WLAN-Verbindung noch nicht eingerichtet und das Gerät mangels Netzwerk offline, die einzige Möglichkeit, wie zu diesem Zeitpunkt überhaupt Daten ausgetauscht werden könnten, wäre eine LAN-Verbindung. Besteht eine solche nicht, ist das Gerät offline – Punkt. Erst in einem späteren Schritt kann ich mich mit meinem WLAN-Netzwerk verbinden – oder eben „Kein Netzwerk“ auswählen und den SmartTV offline lassen.

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Der interessanteste Punkt dürfte in der Nutzung von HbbTV liegen. Samsungs Smart TVs bieten hier, wie auch so ziemlich jeder andere Smart TV eines jeden anderen Herstellers, die Möglichkeit, auf etwa die Mediatheken der Sender zuzugreifen. Eine Art Zusatzangebot zu dem laufenden Programm der Sender, welches über das Internet bezogen wird. WBS schreibt hierzu:

Die Datenübertragung findet über die  HbbTV Funktion statt, die bei Auslieferung des TV-Geräts bereits installiert und einsatzbereit ist. Diese Funktion wird von den meisten Herstellern von Smart TV´s genutzt. Die HbbTV Funktion kann nur über die im Menü versteckte Funktion „Datendienste“ ein- und ausgeschaltet werden. Der Begriff HbbTV wird im Menüpunkt nicht verwendet. Für einen Durchschnittsnutzer gehört schon der Begriff HbbTV nicht zum üblichen Sprachgebrauch. Erst Recht würde er jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Begriff Datendiensten und HbbTV herstellen. Zudem ist nicht ersichtlich, ob die Funktion ein- oder ausgeschaltet ist, da es keinen Regler oder ein anderes optisches Feedback gibt, das erkennen lässt, ob die Funktion aktuell ein- oder ausgeschaltet ist. Standardmäßig ist die Funktion jedenfalls beim Einschalten des Geräts in Betrieb.

Samsung wiederum begegnete der Klage bezüglich HbbTV im November 2015 mit folgendem Statement:

Datenerhebung via HbbTV:

Die Verbraucherzentrale NRW schreibt: „Schon bei der bloßen Inbetriebnahme wird mit der HbbTV-Funktion standardmäßig die IP-Adresse des jeweiligen Internetanschluss-Inhabers übertragen. Dadurch kann er identifiziert werden. Für die Erhebung und Verwendung dieser Daten fehlt nach unserer Ansicht die rechtliche Grundlage. Denn der Nutzer hat nicht in die Datenübertragung eingewilligt.“

HbbTV ist ein interaktiver Datendienst, über den TV-Sender Zusatzinformationen und -dienste wie beispielsweise ihre Mediatheken bereitstellen. Bei der Nutzung von HbbTV werden Daten zwischen dem Fernseher und dem jeweiligen Dienstanbieter – also dem Fernsehsender – übertragen. Somit liegt die Verantwortung für den Datenschutz im Fall von HbbTV bei den Anbietern, also den Rundfunkanstalten.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Über HbbTV werden bei dem Samsung Fernseher UE40H6270 keine Daten an Samsung übermittelt.
Samsung versichert seinen Kunden, dass Datenschutz höchste Priorität genießt – diesen Leitgedanken verfolgt das Unternehmen entsprechend konsequent bei der Entwicklung all seiner Produkte und Dienstleistungen. So auch bei Samsung Smart TVs.

Laut der Verbraucherzentrale NRW werden Daten also über HbbTV übertragen. Dieser Funktion wird wenn überhaupt in den AGB nur mit dem Begriff „Datendienste“ Rechnung getragen. In den Einstellungen ist HbbTV auch nur als „Datendienste“ zu finden. Samsung wiederum entgegnet, dass Daten, die über HbbTV übertragen werden nur und ausschließlich an die Anbieter, also die verschiedenen Sendeanstalten, übermittelt werden. Allerdings stellt Samsung hierfür die Infrastruktur bereit. Der Punkt war bei meinem – wie gesagt veralteten 2013er Gerät – aktiviert und ich musste Google befragen, wie ich diese unnütze und nervige Funktion deaktivieren kann. Bei WBS hieß es zur Technik des 2014er UE406270:

Es hat sich herausgestellt, das bereits bei der Nutzung des Gerätes ohne Zustimmung zu Datenschutzrichtlinie oder Geschäftsbedingungen Daten an Samsung und Dritte übertragen werden. „Ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz“, findet auch RA Solmecke. „Die Tatsache, dass eine anonyme Nutzung erst bei einem aktiven Ausschalten der Funktion möglich ist, widerspricht dem Grundsatz, dass Nutzer grundsätzlich immer aktiv im Wege eines „opt-in“ in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen müssen“.

Ein extrem interessanter Punkt, das Statement ist insofern unglücklich formuliert, als dass Daten sicherlich nicht ohne eine Internetverbindung übertragen werden. Besteht eine solche jedoch, ist eine eventuelle Zustimmung zur Nutzung von HbbTV nicht als solche bezeichnet, die Funktion ist zudem als „Datendienste“ versteckt und kann laut WBS erst im Nachhinein nach Inbetriebnahme des SmartTV deaktiviert werden.

Datenschutz ist wichtig, nicht erst seit Snowden, NSA und diversen Datenlecks. Die Kritik der Verbraucherzentrale NRW kann ich nur bedingt nachvollziehen: Dass Daten übertragen werden um die AGB abzurufen ist in meinen Augen nicht zulässig, da in diese Datennutzung (im Übrigen sensibler Daten) nicht eingewilligt wurde. Auch die Bezeichnung von HbbTV in den Datenschutzerklärungen fehlt mir und hier sollte es – auch aus Gründen der Nutzerfreundlichkeit – ein Opt-In zur Nutzung von HbbTV geben.

Allerdings sind Samsungs SmartTVs eben auch komplett offline nutzbar, die Forderung der Verbraucherzentrale insofern in meinen Augen unbegründet, ich kann das Gerät komplett ohne Internet einrichten – auch wenn ich dann zahlreiche Funktionen natürlich nicht nutzen kann. Die Sprache kann man offline jedenfalls auswählen. „Übersichtliche AGB“ sind eine schöne Forderung, die immer gut klingt. Wer allerdings sich mal durch die AGB von Facebook und Co. geklickt hat, weiß, dass es schwierig wird, Dienste mit einem über das Internet enormen Funktionsumfang auf einem Bierdeckel zu erklären. Gleichzeitig zu Fordern, dass „Die Nutzer genau erfahren, welche Daten zu welchem Zweck übertragen [werden]. Dies gebietet das im Datenschutzgesetz verankerte Transparenzgebot“ (so WBS) ist da beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings dürfte es bei den von der Verbraucherzentrale NRW monierten 399 Seiten diverse Klausel-Leichen geben und wer sich durch den universitären Klassiker der AGB-Kontrolle durchgeschlagen hat weiß, dass es sehr leicht und dazu fast immer etwas zu meckern gibt.

Eine interessante Klage, welche wir natürlich begleiten werden. Datenschutz wird in Deutschland nicht erst seit Thilo Weichert groß geschrieben. Die Kritik der Verbraucherzentrale dürfte in Teilen wohl zutreffen, die Details werden spannend.

Pressemitteilung Wilde Beuger Solmecke

Pressemitteilung Samsung Electronics Deutschland GmbH

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7 thoughts on “Verhandlung der Klage der Verbraucherzentrale NRW gegen Samsung wegen Smart TV-Datenschutz am 19. Mai 2016

  1. OT:

    Verstehe den Hype um Smart TV auch nicht. Ich hab vor kurzem bei nem Kumpel die Smart-TV-Funktionen ausprobiert an einem JU7090 (also 2015er Reihe, läuft jetzt erst aus) und ich fand das sehr unschön. Langsam, ruckelig, unschön animiert und instabil…

    Ich vergleiche das mit meiner Android TV-Box (Nvidia Shield TV), die ist schon deutlich flexibler und hat deutlich mehr Dampf und ist vorallem nicht an den TV gebunden, da kann ich anschließen was ich will und beide unabhängig voneinander upgraden.
    Und Updates gibts auch schnell und vorallem viele gute Apps und Spiele, ist ja Android 6.0

  2. Ich habe meinen garnicht ans Internet gehängt :-). (Amazon Fire TV stick, das reicht)Ach ja die Verbraucher“schutz“zentralen sind auch nicht immer auf Verbraucher Seite… Dubiose Vereine sind das, meist links grün angehaucht und deshalb ganz gerne mal gegen die großen Konzerne….

  3. Ooooooh wie schade, wir haben eh unsere Seelen schon an Google verkauft, da ist eine unverschlüsselte Internetverbindung jetzt auch zu verschmerzen.

  4. OT:
    was ich schade bei Smart TVs finde ist dass man auf Google Playstore keine gekauften Filme anschauen kann.
    Das geht weder bei meinem LG Smart TV noch bei meinem Samsung (UE55JU6450) Smart TV.

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